Nichts für schwache Nerven
Die Halloween-Party war definitiv nichts für schwache Nerven. Nicht nur wegen den unzähligen Insekten, den kilometerlangen Spinnweben, den Hexen- sowie Teufelsgestalten, welche die ehemalige Farben- und Lackfabrik in Schwerzenbach wieder bis zur Unkenntlichkeit in ein riesiges Geisterschloss verwandelten. Und auch nicht wegen den 90 lebendigen Wesen, einige von ihnen mit furchteinlösenden, echt wirkenden Blessuren im Gesicht, blutverschmierten Körpern und fahlen Zombie-Blicken. Von elegant, sportlich, züchtig, sexy, historisch, futuristisch, fantasievoll bis niedlich fehlte kaum ein Kleidungsstil. Super-Sina verführte in einem knappen «Wonder Woman»-Latex-Bikini, Senhorita Virginia schleppte als Skelett-Nonne ihre Beute ab, der scharfe Blondschopf Raissa als freizügige Gottesfrau mit wenig Stoff unterherum und die blutjunge Roberta zog als Horror-Nun durch die Katakomben.
Ein verpasster Lotto-Sechser
Auch das Programm strapazierte die Nerven von Banyadee. Er konnte kaum glauben, was ihm ein Kollege kurz nach Ankunft in der Garderobe erzählte: Bühnenshows im Stundentakt. «Du ich muss los, in zehn Minuten findet bereits die nächste Aufführung statt. Wir sehen uns später.» Verwundert und von grosser Neugier gepackt, weil er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass es gegenüber den Vorjahren noch eine Steigerung geben könnte, stieg Banyadee hinab in den Ballsaal wo ihm gleich Sabrina entgegen kam und fragte, ob er als Partner bei der 17-Uhr-Show mitmachen würde. Der Daumen und ein weiteres Körperteil richteten sich nach oben. «Ein Sechser im Lotto!», frohlockte sein treuer Club-Freund, als ihm Banyadee von seinem Glück berichtete. Er sah gerade wie auf Anweisung der neuen Showmasterin Anna das Set hergerichtet wurde: Bartische, Stühle und Champagnerflaschen zierten den Bühnenbereich. Obwohl gerade geduscht, kehrte Banyadee nochmals in die Garderobe zurück: sicher ist sicher. Dort kam ihm Raluka aus dem Club Swiss entgegen, splitternackt und etwas orientierungslos, weil sie nicht wusste, wo sie ihre Handtasche hinstellen sollte. Banyadee bot ihr an, das Designerstück – (und auch sie...) – während des Duschens im Auge zu behalten. Es gibt definitiv schlimmere Jobs auf dieser Welt. Dann rannte Banyadee wieder in den Ballsaal zurück, nahm an seinem Tisch Platz als ihm auffiel, dass die weiteren männlichen Bühnenpartner maskiert und in Weiss gekleidet an den Tischen sassen. Nur er nicht. Bingo! Jawohl, nun hatte er doch tatsächlich den Einkleidungstermin verpasst, was ihm Anna mit einem selbsterklärenden Blick und Sabrina nach der Show – «you were not here» - auch so bestätigten.
Walzer im Trio, Blowjob im Doppelpack
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Oder die sündige Latex-Nonne Angelina. Er wollte in der Gästemenge untertauchen, nach seinen Freunden Ausschau halten, sie packte ihn aber am Arm und zog ihn auf die Bühne, wo drei weitere Kolleginnen bereits zu osteuropäischer Hitparade spontan abtanzten. DJ Sunny legte einen Song nach dem anderen auf und brachte so die Stimmung zum Brodeln. Immer mehr Weiblein und Männlein drängten auf die Bühne, bis es keinen Platz mehr gab und sich die Meute vor die Bar verschob und weitertanzte. Erneut wurde Banyadee am Arm gepackt, dieses Mal von Anna. «Komm’ mit», wies sie ihn an und lotste ihn zu den Adhoc-Showgarderoben hinter der Bar. Dort streckte sie ihm einen gelb-blauen Frack in die Hand. «Du, in der Mitte, mit diesen zwei Frauen.» Die kleinere, mit Brille, blond, stellte sich als Ella vor, die grössere als Adina. Beide aus dem History. Banyadee hatte nicht einmal Zeit um leer zu schlucken oder um «Wow» zu sagen, schon öffnete Anna die Tür und die Titelmelodie von Disneys «Beauty and the Beast» erklang. Mit A zu seiner Linken und E zu seiner Rechten tänzelte er durch die Menschenmenge zur Tanzstange. Nach Walzer im Trio, gab es feuchte Küsse in Stereo, Double-Blowjobs und gegenseitiges Liebkosen der Körper. Adina mauserte sich zur Wildkatze und blies zum Angriff. Ella hingegen machte auf Schmusekatze, schnurrte zufrieden und liess sich wehrlos auf des Biests Verwöhnprogramm ein. Leider viel zu schnell beendete Anna den Disney-Traum und die Wolke 7 löste sich im Nu wieder im Nichts auf. Was blieb war ein nachhaltiges Glücksgefühl.
Hochzeit, Horror und Reggae
Wenige Minuten später führte sein Weg, vorbei an leuchtenden Kürbissen, hinauf ins «Palazzo». Banyadee füllte seinen Teller mit Braten, Rindssteak, Rotkohl und Gratin und genoss das fürstliche Mahl im Kreise seiner Kollegen. Bis einer aus der binationalen Tischrunde - nach einem flüchtigen Blick auf den Bildschirm - aufsprang und den Rest daran erinnerte, dass soeben die nächste Show im Gang sei. Kaffee und Dessert mussten warten. Schnurstracks eilte der Trupp in den Ballsaal zurück, wo gerade mehrere Hochzeiten im Gang waren. Für Banyadee war die - «Mafia-Hochzeit»? - übrigens die schönste Show, die Anna inszeniert hatte: Kostüme, Musik und Brautpaare: alles harmonierte perfekt miteinander. Für Regie und Produktion gebührt ihr ein grosses Lob. Sie verstand es mit Anspielungen auf Film, Theater und Musicals, angereichert mit einer Prise Erotik, für kurzweilige, abwechslungsreiche und visuell hochkarätige Unterhaltung zu sorgen. Den Oscar- oder den Tony-Award als beste Darstellerin hätte sich Bianca mit ihrem Auftritt in der «Hexen»-Show verdient. Mit spitzem Hut ihrer kecker Art entsprach sie genau dem gängigen Hexen-Klischee. Bei der «Grusel»-Show passierte so vieles gleichzeitig, dass Banyadee schon fast überfordert war und gar nicht mehr wusste wohin er gerade blicken sollte. Eine maskierte Horror-Figur fuhr auf einem Kindervelo im Kreis, darum herum lagen drei aufgebahrte Körper, ein Komplize schwang ein Beil: Nackter Horror. In der zweitletzten Show, um Mitternacht, kam Banyadee zum zweiten Mal, erneut nach einem Casting in allerletzter Sekunde, zum Einsatz. Diesmal in der Rolle eines bewaffneten Bankräubers, der von zwei Polizistinnen verhaftet, arretiert und in der Folge «vergewaltigt» wurde. Zumindest der Teil bis zur «Vergewaltigung» hätte aus dem Kinohit «The Town» sein können. Das Highlight: Nach dem Auftritt gab es in der Garderobe und vor nackten Tatsachen noch eine kurze «After-Party» mit den weiteren Akteuren und Akteurinnen. Dazwischen machte Anna die Bühne frei für die Weltpremiere des angehenden Rap-Stars Thorminator, in der Rotlichtszene auch als Torsten aus dem Club Swiss bekannt. Mit «Yeah Mon» feierte seinen ersten Live-Auftritt. Seine Fangemeinde zollte ihm tosenden Beifall.
Starke Nerven bewies vor allem das vollzählig anwesende Team. Lavinia, Doris sowie Lori aus dem Westside sorgten hinter den Bartresen für den gewohnt speditiven Getränkenachschub, Fritz und Chanel leisteten an der Rezeption Doppelschicht und liessen sich auch während eines temporären Bademantel-Mangels nicht aus dem Takt bringen. Pausenlos füllte die Küchenmannschaft das Buffet auf und unermüdlich sammelten weitere fleissige Hände im Hintergrund leere Gläser ein, leerten Aschenbecher und hielten die Dekoration im Schuss. Als Bindeglieder sorgten letztendlich die Supervisorinnen Fatima und Ruby dafür, dass der Betrieb wie am Schnürchen lief, so wie an einem ganz normalen Globe-Tag. Der Imperator darf stolz sein.